Es ist typisch für Rolf Tschierschky, alle Strömungen seines Jahrhunderts gleichsam aufzusaugen und bildnerisch zu verarbeiten. Zwar nennt er einige Vorbilder, an die er sich bewusst angelehnt habe – Max Beckmann in den fünfziger Jahren, später auch Cézanne – doch in Wirklichkeit lassen sich unzählige „geistige Väter“ in Rolf Tschierschkys Werken entdecken. Vergleichbar einem Prisma brechen sich in ihm alle Kunstströmungen, Stile und Techniken des 20. Jahrhunderts und verschmelzen auf der Leinwand farblich-stilistisch zu einer neuen künstlerischen Einheit. Diesen Prozess hat er selbst kaum bewusst reflektiert. Für ihn war vor allem eine Quelle die wichtigste: die eigene Imagination. Oft ungebeten, so berichtet er, hätten die Bilder und Vorstellungen sich ihm aufgedrängt. Vor allem nachts, im Dunkeln, seien sie aus den Tiefen seines Unbewussten emporgestiegen. Etwaige Ähnlichkeiten mit Werken der Zeitgenossen waren sekundär, ihm ging es darum, sich von den inneren Bildern zu befreien, ohne Anspruch auf einen eigenen Stil. Es gab Zeiten, in denen er im Schnellverfahren täglich mehrere Bilder produzierte, die Farbe in dicken Schichten auf die Leinwand oder ein Stück Pappe klatschte und mit einem Spachtel verschmierte.
Vielfalt der Mittel
Unüberschaubar vielfältig sind die Maltechniken, Stile, Materialien, Sujets und Formate. Rolf Tschierschky malte mit 37 verschiedenen Medien, von Acryl bis zu Wasserfarben, vom Bleistift über Fettkreide, Kohle und Goldbronze bis zu Druckerfarbe, Rötel und Spirituslack. Sogar vor Schuhcreme schreckte er nicht zurück. Er tupfte, schmierte, spachtelte oder schleuderte die Farbe auf Hartfaserplatten, Karton, Spanplatten, Fotopapier, normales Papier, beschichtetes Papier, Glanzpapier, Transparentpapier, Bierdeckel, Folien, Japan- und Kupferdruckpapier, Leinwand, Rasterfolie, Seide, Zeitungspapier und Filmfolien.
Porträts
Kaum zwei der insgesamt einundfünfzig Porträts sind in der gleichen Technik gemalt. Ob Ölmalerei, Tachismus, Collage oder Bleistift, es kommt die ganze Palette von Rolf Tschierschkys handwerklichem Können und Einfallsreichtum zur Geltung. Die Technik und der Stil werden als charakterisierende Hilfsmittel verwendet, um die darzustellende Persönlichkeit abzubilden. So erzählt jedes Porträt eine ganz eigene Geschichte, die sich selbst dann erschließt, wenn die dargestellte Person dem Betrachter unbekannt ist.
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Selbstporträts • Familienbilder • Zeitgenossen • Karikaturen
Bühnenbilder
Rolf Tschierschkys Tätigkeit als Bühnenbildner umfasst hauptsächlich die sechs Jahre zwischen 1954 und 1960. In dieser Zeit war er an nicht weniger als vier staatlichen Theatern angestellt und schuf 158 Bühnenbildentwürfe und 70 Kostümskizzen für rund dreißig Produktionen.
Die erste Anstellung am Staatstheater Kassel erhielt Tschierschky im Anschluss an seine Studienzeit, nachdem er einen vom Theater ausgeschriebenen Bühnenbildwettbewerb gewonnen hatte. In den Jahren von 1954 bis 1956 war er dort an 14 Produktionen beteiligt, von zeitgenössischen Schauspielen wie „Eurydike“ von Jean Anouilh bis zu Klassikern wie Mozarts „Zauberflöte“.
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Frankfurt
Die meisten der Frankfurter Ansichten entstanden nach Rolf Tschierschkys Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft im Jahre 1947. Viele dieser Bilder lassen eine unversehrte Stadt vermuten, wie etwa das Aquarell „Mainansicht“ von 1952. Was er abbildet, ist nicht die äußere Realität einer zerstörten Stadt, sondern deren unzerstörbare Essenz, gleich der Seele des Künstlers, welche zwar durch das Erlebte gepeinigt war, aber in ihrem Kern heil blieb und fest auf einem tiefempfundenen christlichen Glauben gründete.
Der „Blick aus dem Fenster“
In einer fiktiven, stilistisch an Beckmann erinnernden Zusammenschau verschiedener Frankfurter Panoramen verdichtet Rolf Tschierschky seine Erinnerungen an seine Geburtsstadt. Dieses Bild zählte er selbst zu seinen wichtigsten Werken.
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Landschaften
In hohem Maße ist Rolf Tschierschky die Fähigkeit eigen, Licht und Farben in berückende Transparenz zu setzen und den Betrachter des Bildes sozusagen in dessen lichtdurchflutete farbliche Atmosphäre einzusaugen. So gibt etwa die rasch entstandene Skizze der Akropolis in Athen mit einfachsten Mitteln den typisch mediterranen Lichteinfall wider: Leerstellen und dunkle Flächen vermitteln grelles Sonnenlicht und scharfe Schatten.
Wie auch sonst im Werk von Rolf Tschierschky decken die Landschaftsbilder das gesamte Spektrum zwischen Fiktion und Realität, zwischen subjektiver Befindlichkeit und fotografisch exakter Nachbildung ab. Der Übergang zum Sujet des Fantastischen ist fließend.
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Fantastisches
Die sogenannten „Freien Werke“ – wie ich sie bezeichne – stellen den größten Teil im Gesamtschaffen von Rolf Tschierschky dar. Es sind Bilder, die ohne Auftrag oder äußeren Anlass entstanden sind und die nicht etwas im Äußeren Wahrnehmbares, etwa eine Landschaft, abbilden, sondern innere Gegebenheiten, Stimmungen, Seelenzustände, Träume und Visionen. Sie bilden den Kern seines künstlerischen Ausdrucks und finden deshalb hier – ebenso wie im Buch – die breiteste Darstellung.
Um die umfangreiche Galerie der fantastischen Werke etwas übersichtlicher zu halten, habe ich mich entschlossen, die Bilder nach Jahrzehnten zu gruppieren.
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Objekte und Installationen
Zwar ist die Werkgruppe der Objekte die kleinste im Gesamtschaffen Rolf Tschierschkys, dennoch kann man sagen, dass er auf sie die meiste Energie verwandt hat. Erst Ende der achtziger Jahre, also zu Beginn seines achten Lebensjahrzehnts, begann er, größere plastische Objekte zu entwerfen. Es scheint fast, als habe er die zweidimensionale Welt der Linien und Flächen zur Genüge erkundet, und es dränge ihn nun hinaus in das Reich des Anfassbaren und Überwältigenden. Hatte ihn eine Idee gepackt, verbrachte er oft mehrere Jahre mit ihrer Auf- und Ausarbeitung. Er skizzierte Studien, fertigte Modelle, schrieb seitenlange Erläuterungen und zahllose Spendenanträge, um die Mittel für die Verwirklichung zu akquirieren. Dass die Chancen auf Geldmittel gering waren, kümmerte ihn kaum, ebenso wenig, dass er fast immer ohne Auftrag handelte. Von seinen Visionen war er derart überzeugt, dass er die Frage nach ihrer Umsetzung verdrängte.
Obwohl bisher kein einziger Entwurf realisiert worden ist, handelt es sich um vollwertige, ausgereifte Kunstwerke, da auch den Entwürfen ein künstlerischer und technischer Eigenwert zukommt. Alle Projekte sind realisierbar und noch aktuell. Sie illustrieren nicht nur die Kunst Rolf Tschierschkys, sondern auch dessen politische wie auch seelisch-geistige Dimension.
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Stillleben
Die Abbildung unbelebter Gegenstände hat Rolf Tschierschky nie sonderlich interessiert. Lediglich ein einziges Bild war für ihn zentraler Bedeutung, und er hat es bei zahllosen Gelegenheiten erläutert: Das 1951 entstandene „Stillleben mit Krug“ zeigt symbolisch seine Familie in Gestalt eines Kruges und eines Tellers, auf dem zwei Früchte liegen. Der Krug repräsentiert die Mutter – bereits bei Carl Gustav Jung ein archetypisches Symbol des Mütterlich-Weiblichen.
Die beiden Früchte, eine Birne und ein Apfel, verkörpern Rolf Tschierschkys Geschwister, wobei die Birne dem Bruder Günter zugeordnet ist. Der im Krieg gefallene Bruder Fredi fehlt. Rolf selbst erscheint in der Gestalt des Obsttellers, dem die Aufgabe zukommt, die Geschwister beieinander zu halten.
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Werbung, Technik und Plakate
Zu den herausforderndsten Aufgaben Rolf Tschierschkys gehörte es, Messstriche per Hand auf die Skalen von Messgeräten zu zeichnen. Für diese im Zehntelmillimeterbereich liegende Präzisionsarbeit war ein scharfes Auge und eine kontrollierte Hand notwendig – im digitalen Zeitalter kaum mehr vorstellbar. In dieser Zeit machte er sich einen Sport daraus, Bilder im allerkleinsten Format zu erstellen: Die Zeichnung Nr. 646, „Arbeitsplatz bei Hartmann & Braun“, misst lediglich fünfeinhalb Quadratzentimeter!
1960 trat er in die Firma Fritz Borsi in Offenburg ein, die auf Außenwerbung spezialisiert war. Hier entstanden Werbemittel und fotorealistische Abbildungen unterschiedlichster Produkte. Außerdem gestaltete Tschierschky zeit seines Lebens Wahlplakate, Werbeschilder, Aufkleber, Plattencover u.v.a.
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Religiöse Werke
Das Metaphysische hat Rolf Tschierschky sein Leben lang intensiv beschäftigt. Eingehend setzte er sich mit Ereignissen und Personen aus der Bibel, im Neuen Testament vor allem mit der Passionsgeschichte Jesu und mit den Paulusbriefen auseinander. Die Worte Jesu und ihre Auslegung durch Paulus boten ihm Halt und Trost in schwieriger Zeit.
Ein gewisses Sendungsbewusstsein ist ihm nicht abzusprechen. Gelegentlich ließ er durchblicken, dass er sich in der Rolle eines geistigen Lehrers sah, der über seine Bilder zu den Menschen sprach und sie über die Vorgänge in ihrem Unbewussten aufklärte.
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